Belgrad, Ende der Neunzigerjahre: Rudi Stupar, ein nicht mehr ganz junger Mann aus Belgrad, schlingert durchs Leben und kann sich nicht entscheiden, welchen Weg er einschlagen soll. Er ist gescheiterter Schauspielschüler, halbherziger Germanistikstudent und professioneller „Spaziergänger“, der Alte im Rollstuhl spazieren fährt. Rudi sammelt die Lebensgeschichten der alten Menschen, bis er sich der drohenden Einberufung zum Militärdienst entzieht und vorübergehend nach Ungarn übersiedelt.
In Budapest gelingt es ihm allerdings nicht, Fuß zu fassen. Er lässt sich treiben, durch Cafés und Kinos, in die Arme verschiedener Frauen – und hat Zeit, die gehörten Geschichten nachklingen zu lassen. Doch Rudis Odyssee ist noch lange nicht vorüber: Der Krieg bricht aus in Jugoslawien, die Rückkehr ist ihm verwehrt. Als seine erste ernsthaftere Liebesbeziehung brüchig wird und immer mehr Flüchtlinge das „serbische Casablanca“ wieder verlassen, bricht auch Rudi erneut auf, diesmal Richtung Deutschland. Über München und Hamburg führt seine Reise, über Jobs als Lagerist und Leichenwäscher bis er seine wahre Bestimmung erkennt und Schriftsteller wird.
Dragan Velikic’s Roman wurde in Serbien mit den wichtigsten Literaturpreisen ausgezeichnet. Es ist ein Roman von europäischen Dimensionen, dessen Rhythmus geprägt ist von der Suche seiner Hauptfigur nach einer Balance zwischen Getriebenwerden und Bleibenwollen, zwischen Aufbruch und Stillstand. Das entscheidende Moment ist die Freiheit, die sich öffnet wie ein Fenster und einen neuen Blick auf das eigene Leben erlaubt.
Dragan Velikic wurde 1953 in Belgrad geboren und wuchs in Pula, einer Stadt auf der kroatischen Halbinsel Istrien, auf. Anfang der neunziger Jahre war er Mitarbeiter einer regimekritischen Wochenzeitschrift, von 1996 bis 1999 Cheflektor des Verlages „B92“ in Belgrad. Dragan Velikic veröffentlichte bisher sieben Romane sowie drei Essaysammlungen und zwei Erzählbände. Seine Bücher wurden in mehr als zehn Sprachen übersetzt. Er publizierte in zahlreichen europäischen Zeitschriften, unter anderem in der „FAZ“ und der „Zeit“. Seit Juni 2005 ist Dragan Velikic serbischer Botschafter in Wien.
„Das russische Fenster“ von Dragan Velikic, erschienen im Deutschen Taschenbuch Verlag, Nr: dtv premium 24685, Preis: 15,40 Euro