Nach Alexandre Dumas’ d.J. 1848 erschienenem Roman La dame aux camélias schuf John Neumeier 1978 eines der bewegendsten Handlungsballette der jüngeren Tanzgeschichte und ein Meisterwerk in seinem dramatischen Bau, den mit größter Klarheit und Intensität gestalteten Charakteren und dem in subtilen Bildern und prächtigen Kostümen kongenial das Pariser Flair des 19. Jahrhunderts beschwörenden Design, das Jürgen Rose – angelehnt an seine Originalentwürfe von 1978 – für die Wiener Premiere neu adaptiert hat.
Neben dem Stuttgarter und dem Hamburg Ballett, mit dem das Stück in Wien 2014 auf einem Gastspiel erstmals zu erleben war, können nur einige von John Neumeier sorgsam ausgewählte Compagnien Die Kameliendame zu ihrem Repertoire zählen. Ab 2024 gehört auch das Wiener Staatsballett zu diesen, das mit der aufwändigen Produktion nicht nur sein Repertoire um eine Neumeier-Kostbarkeit, sondern auch um eines der großen Handlungsballette bereichert.
Aus dem Rückblick entwickelt John Neumeier in seiner Choreographie Armand Duvals leidenschaftliche Beziehung zu Marguerite Gautier. In einer Theater-im-Theater-Situation begegnen sich die beiden erstmals, sieht Marguerite aber auch in einer als Ballett gezeigten alten Liebestragödie – der Geschichte von Manon Lescaut und dem Chevalier Des Grieux – auf erschütternde Weise ihr eigenes Leben gespiegelt. Raffiniert überblendet Neumeier einer filmischen Dramaturgie folgend »äußere«, die Pariser Gesellschaft mit leichter Hand zeichnende Situationen mit den »inneren« emotionalen Zuständen seiner Figuren, in denen sein Tanz alle erdenklichen psychologischen Schattierungen entfaltet: voller Eleganz und unbeschwerter Fröhlichkeit, trunken von Leidenschaft, in existenzieller Dramatik sich aufbäumend oder von unter die Haut gehender Fragilität im Angesicht des Todes.
In Frédéric Chopin fand er den idealen musikalischen Partner, um voller Virtuosität, aber auch melancholischer Verlorenheit die Oberflächlichkeiten der Pariser Society und menschliche Leidenschaften zu zeichnen. Das Largo der h-Moll-Sonate bildet das Leitmotiv in einer aus Klavierwerken, den beiden Konzerten sowie weiteren Stücken für Klavier und Orchester zusammengestellten Partitur, für die zwei Pianisten sich zu einem Chopin-Marathon treffen, der die Anforderungen eines Recitals weit übersteigt. Die musikalische Leitung hat Markus Lehtinen inne, am Klavier hören Sie Anika Vavić und Igor Zapravdin.
Spielstätte Wiener Staatsoper
Premiere 24. März 2024, 18.30 Uhr
Weitere Termine 26. März, 5., 7., 12., 15., 17., 22., 27. April, 1., 4. Mai 2024