Auf eine bis ins Rauschhafte gehende Geschäftigkeit, die sich bis zur Selbstvergessenheit steigerte, folgte am 9. Mai 1873 in Wien die große Ernüchterung. Jener Tag ging als „Wiener Börsenkrach“ in die Geschichtsbücher ein. Wien durchlebte einen Zustand irgendwo zwischen Champagnerlaune und Ausnüchterungszelle, eine Reihe von Selbstmorden folgte. Fast parallel zu diesen Ereignissen begannen Johann Strauss, Richard Genee und Carl Hammer ihre Arbeit an der Operette „Die Fledermaus“ – in unbefangener Naivität, fast ohne Notiz zu nehmen von der sie umgebenden gesellschaftlichen Katastrophe.
Sie schufen ein Stück der geschlossenen Räume: Das reale Gefängnis im dritten Akt spiegelt jenes der bürgerlichen Ehe im ersten. Und dazwischen liegt die Villa des Grafen Orlofsky, wo sich hinter Masken und erotischen Rollenspielen scheinbar jede*r im Rausch vergessen darf – allseits begleitet von himmlischen Walzerklängen, deren ursprüngliche revolutionäre Sprengkraft verdrängt wird. Und doch entgeht in diesem neurotischen Haus der Illusionen niemand den Untiefen bürgerlichen Seins und Scheins, während das brodelnde Draußen von der Feiergesellschaft beharrlich ignoriert wird.
„Auflösung der Sparten“
Regisseur Paul-Georg Dittrich ist dem Volkstheater-Publikum bereits durch seine Inszenierungen „Ich bin Carmen und das ist kein Liebeslied“ und „Calls of Duty: Jeanne D’Arc“ bekannt. Gemeinsam mit den Schauspieler*innen des Volkstheater-Ensembles und Sänger*innen entwickelt er ein alle Beschränkungen einreißendes Sprech- und Musiktheater und lässt dabei die Sparten verschwimmen. Die beiden Musiker Christopher Scheuer und Tobias Schwencke transferieren Strauss‘ berühmte Klänge mit Neukompositionen ins Heute – ohne dabei die bekannten Melodien außer Acht zu lassen: Live-Elektronik trifft auf klassische Instrumente.
So haben Sie „Die Fledermaus“ noch nie gesehen!
Regie Paul-Georg Dittrich
Mit Christoph Heinrich, Bettina Lieder, Hasti Molavian, Fabian Reichenbach, Claudia Sabitzer, Marysol Schalit, Günther Wiederschwinger sowie Philipp Kienberger und Alyona Pynzeny (Musik) und Christopher Scheuer und Tobias Schwencke (Live-Elektronik)
Bühne: Pia Dederichs
Kostüm: Mona Ulrich
Komposition und Musikalische Leitung: Christopher Scheuer, Tobias Schwencke
Videoart: Robi Voigt
Dramaturgie: Michael Klügl