Seit seiner Gründung im Juni 2006 rangen um den Staatenbund viele, oft absichtlich fabrizierte Mythen. Diese werden auch in den hiesigen Medien gerne aufgegriffen und entsprechend thematisiert. Als Vertreter des amtierenden BRICS-Vorsitzenden erlaube ich mir also einige prinzipielle Fragen klarzustellen.
Zu der wohl häufigsten Falschdarstellung gehört die Behauptung, BRICS wäre eine gegen den Westen gerichtete Vereinigung, eine Art „Anti-G7“. Dies entspricht auf keinen Fall der Wahrheit. Der BRICS-Bund ist nicht gegen den Westen gerichtet, sondern gegen seine neokolonialistischen Allüren und das Diktat eines einzigen Zentrums innerhalb der westlichen Gemeinschaft. Wenn es also einigen Ländern, oder besser gesagt der regierenden Oberschicht dieser Länder, sinnvoll erscheint, unter der Obhut eines zentralen Hegemons zu leben und die von ihm auferlegten, nicht klar definierten „Regeln“, fleißig zu befolgen, so ist es deren Entscheidung. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch der Rest der Weltgemeinschaft ihrem Beispiel folgen will.
Das rege Interesse an BRICS ist hierfür der prominenteste Beweis. An dem Gipfel in Kasan im Format Plus/Outreach nahmen Vertreter von fast 40 UN-Mitgliedstaaten, der UN selbst, sowie zahlreichen weiteren internationalen Strukturen teil. Die Vereinigung zählt inzwischen 9 Mitgliedstaaten. Über ein Dutzend Länder streben den Partnerstatus an, noch mehrere bekunden auch ihr Interesse. Nach Angaben der Weltbank machten die BRICS-Länder im Jahr 2023 bereits 32,1% des Welt-BIPs aus. Es wird erwartet, dass bis 2029 das BIP des BRICS-Bundes um 11 Billiarden US-Dollar wachsen wird.
Es ist eine Vereinigung souveräner aufstrebender Länder, die sich die Gestaltung einer neuen gerechteren multipolaren Weltordnung, sowie die Festigung der globalen Sicherheit als primäres Ziel gesetzt haben. Alle Mitgliedstaaten stehen für die Einhaltung der Prinzipien des Völkerrechts in ihrer Gesamtheit unter maßgeblicher Rolle der Vereinten Nationen, sowie die Unzulässigkeit des Diktats und von einseitigen Druckmitteln, von wem auch immer sie kommen mögen. Also Freundschaft und Zusammenarbeit nicht gegen jemanden gerichtet, sondern für eine gemeinsame Weltanschauung und die Vorstellung von einer gerechteren Weltordnung.
Weiters wird in den österreichischen Medien oft versucht, das Bündnis als einen „Scheinriesen“ darzustellen, sogar von Potjemkischen Dörfern ist manchmal die Rede. Um diese Behauptung zu widerlegen reicht nur ein kurzer Blick auf die bereits erbrachten Leistungen von BRICS, sowie auf die immense Arbeit, die im Rahmen des Bundes geführt wird. Alleine während des russischen BRICS-Vorsitzes fanden heuer mehr als 200 Veranstaltungen in den Bereichen Politik und Sicherheit, Wirtschaft und Finanzen, kulturelle und humanitäre Verbindungen statt.
Unter dem Schirm des Bundes funktionieren die auf russische Initiative gebildete BRICS-Plattform für Energieforschungen, das BRICS-Zentrum für Impfstoffforschungen, die BRICS-Strategie zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit.
Ein wichtiges Resultat der Zusammenarbeit der BRICS-Gruppe ist die Gründung der multilateralen New Development Bank mit einem Gesamtvolumen von 100 Milliarden Dollar. Die Bank finanzierte bereits 96 Investitionsprojekte auf eine Gesamtsumme von mehr als 32,8 Milliarden Dollar. 2020 wurde auch ein Programm zur Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der COVID-Krise im Umfang von 10 Milliarden Dollar gestartet.
Gerne und oft wird auch darüber gelästert, wie unterschiedlich die BRICS-Mitgliedstaaten seien, dass sie zu vielen Fragen auseinandergehende Meinungen, Interessen und Visionen hätten. Was die Kritiker aber nicht zu verstehen vermögen, ist die Tatsache, dass eben in dieser Vielfalt die besondere Kraft des Staatenbundes liegt. Es ist den westlichen Experten wohl irgendwie nicht geheuer, dass es unter den BRICS-Staaten keine absolute Vorherrschaft des Stärkeren gibt oder geben könnte und alle Länder im wahrsten Sinne des Wortes gleichberechtigt sind. Ein tiefer Unterschied zu den Strukturen des „kollektiven Westens“ besteht auch darin, dass die Bestrebungen und die Arbeit in der BRICS-Runde nach konstruktiver und nicht konfrontativer Agenda ablaufen, ohne Abgrenzung und unter gegenseitiger Berücksichtigung der Interessen aller Mitgliedstaaten.
Auch wenn es so mancher Vertreter der Mainstreammedien nicht wahrhaben will, hat der BRICS-Bund, der schon einen langen Weg hinter sich hat, seine Beständigkeit und Nützlichkeit bewiesen und sich zu einer umfassenden strategisch gerichteten Partnerschaft entwickelt. Alle Unwahrheiten, die über das Bündnis verbreitet werden, dienen nur einem Zweck – den Übergang zu einer gerechten multipolaren Weltordnung zu verhindern. Aber ihre Erfinder wollen einfach nicht verstehen - diese Weltordnung existiert bereits. Die tagtägliche gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit der BRICS-Staaten ist der lebendige Beweis dafür. Und diese Realität wird sich stetig festigen.